Sonntag, 5. Mai 2013

Chennai

Wie schon auf meiner letzten Reise bin ich waaay behind mit Schreiben. Fuer den Text muss ich eben doch immer ein Internetcafe aufsuchen. Langsames Toeggele auf dem Handy oder Tablet nervt mich einfach. Also zuerueck nach Indien: ich war also in Chennai angekommen. Jeder hatte mich ja vorgewarnt und nicht verstanden wie ich soooi viele Tage (3...) hier verbringen konnte. Zugegeben, die Stadt hat so viele Einwohner wie die Schweiz und trotzdem keine nennenswerten Sehenswuerdigkeiten. Es ist die 4. groesste Stadt in Indien und hiess frueher Madras. Leider habe ich es nicht geschafft ein 'Chicken Madras' zu essen, so was gibt es hier einfach nicht. Das Gericht ist wohl ne westliche Erfindung.

Kaum in Chennai angekommen wusste ich wieder, wie es sich damals in Delhi angefuehlt hatte. Diese indischen Grossstaedte sind einfach besonders - schlimm. Der Verkehr, der Schmutz, die Armut, ich kann verstehen wie jemand in Delhi ankommt und gleich wieder ins Flugzeug steigt und nach Hause fliegt. Chennai ist aehnlich und nach Mamallapuram wars auch fuer mich ein Schock, jedoch kannte ich diesen Schock bereits und war darauf vorbereitet. Ich musste einfach damit leben und das Beste daraus machen. Will mir ja niemand angeben dass es in so einer grossen Stadt wirklich 'nichts' gibt. Wie ihr ja bereits wisst fordert mich sowas immer speziell heraus.

Meine Unterkunft jedenfalls war schon mal super, fuer keine CHF 5 (komischerweise wurden die Unterkuenfte immer guenstiger) bekam ich ein eigenes Zimmer mit Bad und sogar einem TV der einen englischsprechenden Sender ausspukte. So guckte ich manchmal abends 'Greys Anatomy' und machte es mir auf dem Bett bequem. Der totale Luxus, ich sags euch! In der Lobby gabs WIFI, dort trafen sich dann auch die ganzen Reisenden. Da eh schon Nebensaison war kannte man bald mal alle, da war Khang aus Australien, mit dem ich stundenlang waehrend einem Stromunterbruch draussen im Schatten redete, oder Francis aus San Francisco (haha) der mir wertvolle Tipps ueber Sri Lanka gab. Zusammen gingen wir auch Abendessen, in der Strasse gabs einiges an Auswahl, jedoch nur pure indische Kost.

Ich muss aber zugeben, Chennai ist ne bloede Stadt zum rumlaufen. Funktioniert sowas in z.B. Chicago oder New York kann man in Chennai - wie auch Delhi - vergessen die Distanzen abzulaufen. Erstens ist die grosse Hitze (wobei immer noch weniger schlimm als Madurai oder Pondicherry) und zweitens der Gestank und der Verkehr. Die Inder benuetzen ihre Stadt immer als oeffentliche Toilette, so gibt es viele Orte die stinken schlimmer als jede Bahnhofstoilette. Wenn man als Westler zu Fuss unterwegs ist sieht das einfach nur schraeg aus. Wobei, das Tolle an indischen Stadten ist ja dass immer irgendwo ein TukTuk rumsteht. Hat man genug, nimmt man einfach eines und laesst sich kutschieren. Nie muss man lange suchen, im Gegenteil. Die Haelfte muss man zuerst mal abwimmeln da man ja lieber laufen moechte.

Ich habe mich dann zum Fort fahren lassen. Leider gab es nicht viel zu sehen. Der Hoehepunkt war die Fahnenstange die frueher mal ein Schiffsmast gewesen ist. Ansonsten wird das Anwesen jetzt vom Militaer benuetzt, die rennen auch sofort daher wenn man ein Foto knipst. Die Fahnenstange lag aber grad noch drin. Habe mich dann auf den Weg nach Georgetown gemacht, dies ist das alte, quirrlige Chennai. Sowas muss man sich einfach antun, sich an TukTuks, Menschen, Motorraedern und Gemueseverkaeufern vorbeischlaengeln und sich wundern wie schmutzig und verdreckt die Strassen sind. Ich konnte es fast nicht glauben, siehe auch unten auf dem Foto. Ich dachte ich waere im falschen Jahrhundert gelandet als der Ochsenkarren an mir vorbeizog (die sieht man jedoch oefters im ganzen Tamil Nadu), immerhin war die Strasse so halbwegs asphaltiert. Irgendwann hatte ich dann genug und suchte mir meine Rettung, ein TukTuk: auf in die Express Avenue, bitte.

Gibt es die eine Seite von Chennai, gibts auch die andere. Und die war eine vollmoderne, neue Shoppingmall mit Marken wie Nike, Swatch, Lewis und einem Kino auf der obersten Etage. Ein grosser Foodcourt sorgte fuer Essensauswahl, so goennte ich mir Fajitas, findet man ja sonst nicht unbedingt hier. Es fang gerade ein 'Dance Contest' statt, sowas wie 'Let's Dance', einfach ohne Promis. Es fand die Vorausscheidung fuer Tamil Nadu statt, so ein Zufall. Das Fernsehen war dabei, die Juroren und natuerlich die ganzen Tanzgruppen aus dem Sueden. So guckte ich mir mit all den anderen Indern die Darbietungen an und waehrte mich in einer anderen Welt. War ich zuvor noch im Georgetown ueber Maenner mit dem traditionellen Dhoti (Rock) gestolpert stand ich nun Seite an Seite mit der neuen, modernen Mittelschicht Indiens. In meinen Reiseklamotten sah ich schon fast ein wenig exotisch aus, waehrend alle anderen Jeans, T-Shirts und Absaetze trugen. Hallo Welt! Und das innerhalb von 30 Minuten, da kann es einem schon fast ein wenig schwindlig werden. Vor allem wenn man dann aus dem klimatisierten Paradies wieder raus in die richtige Welt muss.

Ein Thema sind ja immer die Bettler in Indien. Wie erwaehnt wurden es immer mehr. So kaufte ich mir z.B. abends ein Cola und Snickers fuer meine Fernsehunterhaltung. Waehrend ich bezahlte erschien neben mir eine alte Frau die ihre Hand aufhielt. Ja und jetzt? Soll ich etwa sagen ich haette kein Geld? Leider hat man immer den Hintergedanken ob die Leute auch wirklich aus Not betteln oder ob es sich um organisierte Banden handelt die z.B. die Guetzli weiterverkaufen oder das Geld am Abend ihrem Meister abgeben muessen. Das muss jeder fuer sich entscheiden. Schlimm war auch als ich in der Kirche sass und ein Mann auf mich zukam und mir einen Zettel uebergab, wo drauf stand er haette einen Unfall gehabt und waere nun auf Geld angewiesen. Und ich gebe nichts! Sowas in der Kirche, da fuehle ich fast wie mich der Blitz trifft und die Hoelle sich unter mir oeffnet.

Auch sonst sieht man viel Elend, dass koennt ihr auch nicht vorstellen. Es sind nicht die ganzen Leute die auf der Strasse schlafen oder dort ihre Zelthaeuser aufbauen. Auch nicht die Bettler die an einem zupfen und please please rufen sobald sie einen erblicken. Es war ein Mann, den ich aus dem Bus heraus auf der Strasse sah. Zuerst war ich nicht mal sicher ob die Kreatur ueberhaupt menschlich war. Es handelte sich wohl um einen Geburtsfehler, jedenfalls konnte er nicht aufrecht laufen sondern bewegte sich wie ein Tier auf allen vieren (jedoch nicht auf den Knien) vorwaerts. Da er die Haende zum laufen benoetigte hatte er seinen Beutel hinters Genick geklemmt. Er war nicht am betteln sondern wie alle anderen Leute auf der Strasse unterwegs. Ich habe nur einen kurzen Blick auf ihn erhascht, aber dieser Augenblick hatte mich total schockiert dass ich im Bus fast anfang zu heulen. Niemand hat behauptet Indien ist einfach...

An meinem letzten Tag besuchte ich das Viertel Mylapore. Dort befand sich ausser einer katholischen Kirche auch noch zwei Tempeln. Zur Abwechslung war es ein Viertel durch welches man gut laufen konnte. Ich entschied mich auch, mir eine neue Armbanduhr zu kaufen. Die andere hatte den Geist ja zwischendurch aufgegeben. Ich hatte mich schon fast ein mein Leben ohne Uhr gewoehnt und guckte dafuer immer aufs Handy. Aber man gewoehnt sich auch genau so schlimm wieder an die Uhr. Zuerst wollte ich ne Swatch in der Express Avenue kaufen, doch wozu CHF 100 ausgeben wenn ich auf dem Markt eine fuer CHF 3 finde? Klar wird sie auch nicht ewigs halten, aber fuer den Augenblick tut sie es.

Ich bin noch 2x in den Cafe Coffee Day gegangen, schliesslich wuerde ich bis August keine Moeglichkeit mehr haben. Ich deckte mich auch in einem Buecherladen mit Lesematerial ein. Nur Heftli kriegt man leider selten. Es gibt zwar Cosmopolitan oder People zu kaufen, dabei handelt es sich jedoch um die indischen Versionen die mich nicht wirklich interessieren.

Oh, etwas muss ich noch loswerden. Im Hotel fragte mich ein Herr an, ob ich Lust haette in einem Bollywoodfilm mitzuspielen. Wie geil ist denn das? Er wuerde mich um 13.30 Uhr mit seinem Auto abholen und um 21 Uhr wieder bringen, Essen waere inbegriffen und fuer die Umstaende kriege ich RS 1000 (das Hotelzimmer kostete 400, so zum Vergleich...). Ich muesste im Hintergrund ne Krankenschwester spielen und wurde natuerlich auch die Kleidung bekommen. Was total genial klingt muss man leider als Alleinreisende mit Vorsicht geniessen. In sein Auto steigen? Sagt man nicht schon den kleinen Kindern sie sollen nicht bei Fremden einsteigen? Bestimmt waere alles 'sauber' gewesen, aber fuer meine eigene Sicherheit und fuer mein gutes Gefuehl habe ich dann abgesagt. Schade. Waere nur Sonja dabeigewesen, seufz.

So musste ich also langsam Abschied nehmen von Tamil Nadu. Ich sage extra nicht Indien, denn noch bin ich nicht sicher ob es im Rest-Indien aehnlich sein wird. Ich jedenfalls war begeistert von der Herzlichkeit und Freundlichkeit der Menschen, sie sind sehr hilfsbereit und speziell als alleinreisende Frau hatte ich das Gefuehl noch einen Extrabonus zu haben. Am letzten Tag war ich ganz schoen traurig - zum letzten Mal Masala Dosai, zum letzten Mal Mirinda, zum letzten Mal einfach Indien - aber zum Glueck bin ich Mitte August oder so wieder zurueck. Indien hat einfach einen speziellen Platz in meinem Herz. Mir wurde es immer einfach gemacht, ich wurde weder betatscht noch bloed angemacht und ueberfallen schon gar nicht. Der Bahnhof in Heerbrugg scheint mir nachts nicht viel sicherer zu sein. Ich reise mit einem  gewissen Grundvertrauen und wurde nicht enttaeuscht. Die Leute sind herzlich und begeistern. Sonja, freuen wir uns auf unseren gemeinsamen Trip, das wird bestimmt (WIEDER!) super! Bis dann, meendum sandipom Tamil Nadu und big nandri!




Impressionen von unterwegs

Schlechte und schmutzige Strassen, typisch Indien

Alt trifft neu, ob da wirklich ne U-Bahn gebaut wird?

Georgetown

Im Stadtgebiet Mylapore

Die Moderne in Chennai: ein klimatisiertes, westliches Einkaufszentrum mit Kino und Fressmeile

Endlich ein anstaendiges Thali

Alles moegliche wird verkauft. Diese Blumenkraenze sieht man oft in Tempeln

Chennai ist auch schmutzig. Zum Teil ist es aber tatsaechlich meine Braeunung

Auch hier gibts Katholiken

Unterwegs in Chennai wird man immer wieder ueberrascht


Bananen einmal anders. Wenn man welche kauft darf man sie vom Strauch runterreissen :-)

3 Kommentare:

  1. Hey Nadine,
    Find i super dass do bi däm Krankeschwöschter Zügs nöd mitgmacht häsch! Man weiss ja nie, und so hämmer di dänn wenigschtens i eim Stuck wieder zruck!
    Liebi Grüessli
    Eveline

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  2. Hab eine Gänsehaut gekriegt,als ich das mit der "Kreatur"
    und den Bettler gelesen hab.
    Und das mit dem Film "Krankenschwester" hättest Du mit Sonja
    gemacht ?? oje,oje !!

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  3. Das ist genau die richtige Einstellung:

    ¨Ich reise mit einem gewissen Grundvertrauen und wurde nicht enttäuscht!¨

    Du machst es richtig!!!

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